Frieden ist wie Zement: Seine positiven Eigenschaften sind vielleicht nicht immer klar zu
erkennen, aber er hält alles zusammen. Er ist das Fundament für die geopolitischen
Rahmenbedingungen und die Märkte, die aufgrund der unerwarteten Ereignisse der
vergangenen Wochen und deren wohl noch auf Jahre zu verspürenden Folgen bis ins Mark
erschüttert worden sind.
Die unlängst gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen haben relativ begrenzte direkte
Auswirkungen auf unsere globalen Aktienportfolios und die Märkte: Zum Jahresende 2021
waren wir mit unserer Flaggschiff-Strategie „Global Select“ nicht direkt in Russland engagiert
und weniger als 1 % der Umsätze kamen aus Russland. Gleichzeitig entfielen nur 0,4 % unserer
globalen Aktien-Benchmark auf das Land.1 Allerdings sehen wir, wie zahlreiche Sekundäreffekte
die globalen Aktienportfolios betreffen.
Es wurde bereits viel über Öl, Erdgas und Weizen gesagt und geschrieben, aber auch bei
anderen Rohstoffen ist die Welt von Russland abhängig: Palladium und Neon sind wichtige
Rohstoffe für die Produktion von Halbleitern und Fahrzeugen, während Titan in der Luft- und
Raumfahrtindustrie benötigt wird. Wir hatten bereits erste Anzeichen für eine allmähliche
Trendwende beim Chipmangel gesehen, der die Autoindustrie im vergangenen Jahr belastet
hatte. Der jüngste Angebotsschock könnte die Erholung der Chipproduktion nun erneut
verzögern, und dies hätte Folgewirkungen bei allen Produkten, für die Halbleiter benötigt
werden. Lange Wartelisten bei Neuwagen scheinen inzwischen die Regel zu sein, nicht die
Ausnahme.
Die Märkte preisen zunehmend die Auswirkungen einer höheren Inflation und gestiegener
Rohstoffkosten auf die Unternehmensgewinne ein. Vor diesem Hintergrund hat Ecolab, ein
Hersteller von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, den wir im Rahmen der Strategie halten,
1 Bloomberg, Gewichtung Russlands = 0,39 % des MSCI ACWI, Stand: 31. Dezember 2021
die Preise vorübergehend angehoben, um höhere Inputkosten zu kompensieren. Genau solche
Unternehmen, die eine solide Preissetzungsmacht und flexible Produktionsmöglichkeiten
vorweisen können, sind unseres Erachtens am besten aufgestellt, um die inflationsbedingten
Herausforderungen zu meistern. Auf sie wird sich das globale Aktienteam daher als mögliche
Anlagekandidaten konzentrieren.
Mit unserem langfristigen Anlagehorizont sind wir stets bemüht, uns nicht von aktuellen
Turbulenzen ablenken zu lassen, sondern zu analysieren, auf welche Welt wir zusteuern. Neben
einer weiteren Runde eines lieferketten- und rohstoffbedingten Inflationsanstiegs gibt es drei
Themen, die auch über den ersten sprunghaften Inflationsanstieg hinaus Bestand haben
dürften: Dekarbonisierung, Verteidigung und Deglobalisierung.
Mit unserem langfristigen Anlagehorizont sind wir stets bemüht, uns nicht von aktuellen
Turbulenzen ablenken zu lassen, sondern zu analysieren, auf welche Welt wir zusteuern. Neben
einer weiteren Runde eines lieferketten- und rohstoffbedingten Inflationsanstiegs gibt es drei
Themen, die auch über den ersten sprunghaften Inflationsanstieg hinaus Bestand haben
dürften: Dekarbonisierung, Verteidigung und Deglobalisierung.
Der Krieg in der Ukraine könnte für die Energiewende das bedeuten, was die Coronapandemie
für das Cloud-Computing war. Not macht bekanntlich erfinderisch, und wir gehen davon aus,
dass die Dekarbonisierung nun mit Hochdruck vorangetrieben wird, insbesondere in Europa,
das in hohem Maße von Energieimporten aus Russland abhängig ist. Die Europäische
Kommission veröffentlichte vor Kurzem ihren Plan „REPowerEU“2 als Antwort auf das Problem
der Energiesicherheit. Er offenbart das Ausmaß der Bestrebungen der EU, die noch in diesem
Jahr ihre Abhängigkeit von russischem Gas um zwei Drittel verringern will. Ein beschleunigter
Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind, Sonne und grüner Wasserstoff wird bei der
Realisierung dieser Ziele erhebliche Unterstützung leisten. Orsted, ein führender Entwickler von
Offshore-Windparks, ist eine der Positionen in der Strategie, mit der wir uns an diesem Thema
beteiligen.
Ebenso werden nach unserem Dafürhalten die Ausgaben für die Verteidigung noch über Jahre
kontinuierlich steigen, und zwar nicht nur auf staatlicher Ebene – auch Privatunternehmen
dürften etwa ihre Investitionen in Cybersicherheit verstärken. Der Cyberkrieg ist eine relativ neue
Facette umfassenderer physischer Konflikte. Es ist jedoch durchaus vorstellbar, dass
Privatunternehmen zunehmend davon betroffen sein werden, da sie wegen der
Boykottmaßnahmen gegen Russland ebenfalls in den Krieg hineingezogen wurden. Ein
verstärkter Schutz der digitalen Vermögenswerte von Unternehmen dürfte folglich ein weiterer
Trend sein, der im Zuge des Krieges mit Nachdruck vorangetrieben wird, und Anbieter von
Cybersicherheitslösungen werden hier eine wichtige Rolle spielen.
Das letzte Thema ist die Deglobalisierung. Dieser Trend hatte mit dem Handelskrieg zwischen
den USA und China seinen Anfang genommen, den der frühere US-Präsident Donald Trump
2018 losgetreten hatte. Zusätzlich angefacht wurde diese Entwicklung durch die Pandemie, und
der Krieg in der Ukraine dürfte bereits erfolgte Veränderungen zementieren. Vorerst werden
anhaltende Engpässe in den Lieferketten wahrscheinlich zu einer weiteren Diversifizierung der
Anbieter und Produktionsstätten und einer besseren Abgleichung von Produktions- und
Nachfragestandorten führen. Längerfristig ist davon auszugehen, dass die
Wirtschaftssanktionen gegen Russland und insbesondere der erstmalige Einsatz des US-Dollars
als „Waffe“ gegen einen G20-Mitgliedstaat durch das Einfrieren russischer Devisenreserven in
Höhe von 630 Milliarden USD weitreichende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben
werden. Schwer vorstellbar ist, dass China, das aktuell über Devisenreserven in Höhe von
3,2 Billionen USD verfügt3
, die zu einem großer Teil auf den US-Dollar lauten dürften4
,
angesichts seiner eigenen geopolitischen Spannungen mit den USA nicht bestrebt sein wird,
seine Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern. Neben der Inflation könnte auch dieser Punkt
zu einem Szenario führen, in dem die nominalen Kapitalkosten kontinuierlich steigen.
Da die Märkte stets bemüht sind, Veränderungen einzupreisen, werden sich auch immer
Anlagemöglichkeiten ergeben. Aufgrund unseres aktiven Managementansatzes können wir
diejenigen Titel identifizieren, bei denen unseres Erachtens ein zu großes Risiko eskomptiert
wurde. Wir konzentrieren uns nach wie vor auf diese Anlagemöglichkeiten und auf die Suche
nach den Unternehmen, die sich am besten an die neue Landschaft anpassen können.